Schmerz

Schmerzmanagement beim älteren Patienten

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Praxistipps für die erfolgreiche Diagnose und Therapie geriatrischer Schmerzpatienten

Wie gelingt die erfolgreiche Diagnose und Therapie geriatrischer Schmerzpatienten? Was ist bei dieser Patientengruppe zu beachten? Diese und andere Fragen beantwortet Herr Prof. Dr. Ralf Baron, Leiter der Sektion für neurologische Schmerzforschung und -therapie an der Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Kiel, in diesem PRAXISNAH on tour-Video.

Das Schmerzmanagement geriatrischer Patienten ist ein bedeutendes Thema in der Praxis, da die Häufigkeit der Schmerzsyndrome mit dem Alter deutlich zunimmt. Dabei ist sorgfältig zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmerzsyndromen zu unterscheiden, denn sie erfordern unterschiedliche Behandlungsmaßnahmen. Beim nozizeptiven Schmerzsyndrom ist das Nervensystem intakt. Der Schmerzreiz resultiert aus einer Entzündung oder Degeneration in der Peripherie. Dazu gehören u.a. Arthrose, Ischämieschmerz sowie der viszerale Schmerz. Bei geriatrischen Patienten treten gehäuft nozizeptive Syndrome wie muskuloskeletale Erkrankungen (vor allem Rückenschmerzen), arterielle Verschlusskrankheit (meist Durchblutungsschmerzen an den Beinen), Tumorschmerzen, Osteoporoseschmerzen oder entzündliche Beschwerden wie Arteriitis temporalis oder Polymyalgia rheumatica auf.

Der neuropathische Schmerz ist das zweite häufige Schmerzsyndrom im Alter. Dabei sind die Nerven selbst betroffen und geschädigt. Als Ursache können viele Noxen in Frage kommen. Die Chemotherapie kann z. B. eine Polyneuropathie verursachen oder virale Erkrankungen wie Herpes Zoster können zur postherpetische Neuralgie führen. Auch chirurgische Interventionen können Nerven verletzen. Die Folge kann eine posttraumatische Neuropathie sein. Das im Alter wahrscheinlich am häufigsten anzutreffende neuropathische Syndrom ist die diabetische Polyneuropathie.

Die beiden somatischen Ursachen des Schmerzes sind anhand der Symptome beim Patienten unterscheidbar. Die Herausforderungen bestehen jedoch bereits in der Schmerzanamnese und -diagnostik bei geriatrischen Patienten. Prof. Baron empfiehlt, komplizierte Patientenfragebögen zu vermeiden. Denn aufgrund von kognitiven Einschränkungen, Einschränkungen des Sehvermögens, motorischen Behinderungen, Dissimulation und Multimorbidität im Alter ist eine Datenerhebung mit komplizierten Schmerzfragebögen oft nicht möglich. Stattdessen rät der Experte für Schmerztherapie zu einem strukturierten Interview mit einfachen Fragen. Dazu stellt Prof. Baron im Video den painDETECT-Fragebogen vor. Dieser Fragebogen ist zur Erfassung von neuropathischen Symptomen bei geriatrischen Patienten geeignet und hilft bei der Abgrenzung von neuropathischen und nozizeptiven Schmerzen.

Eine weitere Herausforderung bei geriatrischen Patienten ist deren Multimorbidität. Die im Alter beeinträchtigten Organfunktionen, vor allem von Leber und Niere, erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Intoxikationen, betont Prof. Baron. Erschwerend hinzu kommt die Heterogenität älterer Patienten. Lediglich ein kleiner Teil von etwa 10 % gehört zu den „successful agers“, die bis zum 70. - 75. Lebensjahr z. B. keine Reduktion der Nierenfunktion aufweisen. Der Großteil der Älteren (ca. 90 %) durchläuft jedoch den physiologischen Alterungsprozess mit Reduktion der Organfunktion. Im Alter ist das Ziel in der Schmerztherapie daher die Erhaltung der Funktion, damit geriatrische Patienten ihren Alltag bewältigen können. Dies sei viel bedeutender als die Schmerzreduktion, so Prof. Baron.

Für die Schmerztherapie geriatrischer Patienten stehen kausale Therapieoptionen, wie Physiotherapie, Ergotherapie oder TENS-Applikationen, zur Verfügung – sofern sie beim älteren Patienten möglich sind. Auch psychologische Bewältigungsverfahren sind wichtige Behandlungsmöglichkeiten in der Schmerztherapie. Eine weitere Möglichkeit ist die medikamentöse Therapie. Bei geriatrischen Patienten muss die medikamentöse Therapie vor allem gut verträglich sein, wenig Interaktionen aufweisen und gut steuerbar sein. Prof. Baron stellt im Video Wirkstoffklassen vor, die für die Schmerzbehandlung geeignet sind.

Für das Schmerzmanagement älterer Patienten können jedoch nicht einfach einzelne Leitlinien abgearbeitet werden. Dies würde vor allem bei älteren, multimorbiden Patienten zu zahlreichen Interaktionen führen. Es fehlt an einer Multimorbiditätsleitlinie und an klinischen Studien bei geriatrischen Patienten, so Prof. Baron.

Zur Verdeutlichung der Interaktionsproblematik stellt der Experte für Schmerztherapie im Video Beispiele für Wechselwirkungen von Medikamenten, die im Alter häufig verordnet werden, vor. Zur Vermeidung solcher Interaktionen empfiehlt Prof. Baron die Priscus-Liste, die Medikamente aufzählt, die bei Älteren vermieden werden sollten. Noch spezifischer und detaillierter ist die sogenannte FORTA-Liste. Darin fließen medizinisch-pharmakologische Wertungen sowie Studien bei Älteren ein. Darüber hinaus hat der Schmerzexperte mit seiner Arbeitsgruppe eine Übersicht mit Empfehlungen für neuropathische Nervenschmerzen bei älteren Patienten erstellt, die sich an Komorbiditäten und Studien zu geriatrischen Patienten orientiert.

Zur Veranschaulichung dieser recht komplexen Empfehlungen führt Prof. Baron ein Fallbeispiel zu einer 71-jährigen Patientin mit starken Rückenschmerzen an. In diesem Zusammenhang geht der Schmerzexperte auf die häufigste Nebenwirkung einer Opioidtherapie ein: der Obstipation. Zur Behandlung dieser unerwünschten Wirkung empfiehlt Prof. Baron PAMORA (peripherally acting m-opioid receptor antagonists).

Weitere Empfehlungen für ein erfolgreiches Schmerzmanagement bei älteren Patienten sowie hilfreiche Praxistipps erhalten Sie im PRAXISNAH on tour-Video.

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