Indikation

Epilepsie hat viele Gesichter

Die Epilepsie hat kein einheitliches Krankheitsbild. Verschiedene Epilepsien haben verschiedene Ursachen. Dazu kommt, dass die Erscheinungsformen epileptischer Anfälle unterschiedlich sind.

Epileptische Anfälle

Idiopathische, symptomatische und kryptogene Epilepsien

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (International League Against Epilepsy: ILAE) unterteilt Epilepsien nach Ursache und Erscheinungsbild. Dies ist wichtig, um zu erkennen, was sich bei einem epileptischen Anfall im Gehirn abspielt, wo und wie die abnormen epilepsietypischen elektrischen Entladungen der Nervenzellen anfangen und wie sie sich ausbreiten. Somit kann die Klassifizierung entscheidende Hinweise auf mögliche Behandlungsoptionen und die Medikamentenwahl wie auch den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung geben. Darüber hinaus ist sie aber auch eine Entscheidungshilfe bei Fragen der Fahrtüchtigkeit und der beruflichen Einsatzmöglichkeiten.

  • Idiopathische Epilepsien sind genetisch bedingt, oft auch vererbt. Außerdem treten sie häufig altersabhängig, z. B. in der Kindheit und Jugend, auf und sind durch typische EEG-Veränderungen gekennzeichnet.
  • Symptomatische Epilepsien sind auf nachweisbare oder krankhafte Veränderungen im Gehirn wie schwere Kopfverletzungen, Schlaganfall, Blutungen oder Hirnschädigungen bei der Geburt oder auch während der Schwangerschaft zurückzuführen.
  • Kryptogene Epilepsien sind wahrscheinlich auch symptomatisch. Man geht dabei von einer erworbenen Schädigung aus, die sich allerdings noch nicht nachweisen lässt.

Die Klassifikation der Internationalen Liga Epilepsie unterliegt zurzeit noch einer ständigen Dynamik.1

Epileptische Anfallsformen

Epilepsien gehen stets mit epileptische Anfällen einher, die ganz unterschiedlich verlaufen können. Dabei kann z. B. ein Grand mal bei verschiedenen Epilepsien allein oder in Kombination mit anderen Anfallsformen auftreten.

Die ILAE definiert einen epileptischen Anfall als ein vorrübergehendes Auftreten von Anzeichen und/oder Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven oder synchronen neuronalen Aktivität im Gehirn2. So gibt es Anfallsarten mit motorischen und sensiblen Phänomenen, die nur wenige Sekunden dauern, Aussetzer (Absencen) und Abläufe mit Zuckungen einer Extremität bis hin zu komplexeren Bewegungs- und Bewusstseinsphänomenen und zu klassischen tonisch-klonischen Anfällen. Bei manchen Betroffenen sind epileptische Anfälle beispielsweise altersgebunden oder treten nur nachts auf.

Die häufigsten Anfallformen sind:

  • Beim Grand mal - großen Anfall – (Tonisch-klonischer Anfall) verliert der Betroffene das Bewusstsein, er versteift sich, stürzt und beginnt am ganzen Körper zu zucken. Während des Anfalls, der eine bis anderthalb Minuten dauert, hat der Kranke keine Kontrolle über seinen Körper. Diese Anfälle sind weniger gefährlich, als sie nach außen wirken. Der Grand-mal-Anfall ist bei weitem nicht die häufigste Anfallsform.
  • Bei Absencen haben die Betroffenen eine bis zu 30 Sekunden dauernde Bewusstseinspause, in der sie starr oder verträumt blicken und nicht ansprechbar sind.
  • Myoklonische Anfälle sind plötzlich auftretende, sehr kurze, nicht rhythmische Zuckungen. Sie dauern nur Bruchteile von Sekunde und betreffen meist weitgehend symmetrisch beide Körperseiten, besonders die Streckmuskeln beider Schulter-Oberarmbereiche. Dabei bleibt das Bewusstsein erhalten. Myoklonische Anfälle beginnen und enden abrupt und sind oft sehr heftig "wie ein elektrischer Schlag".
  • Bei einem tonischen Anfall kommt es zu einer Verkrampfung einer oder mehrerer Gliedmaßen, ohne dass Zuckungen auftreten. Der Betroffene verharrt in der verkrampften Körperhaltung, wobei es manchmal zu Lautäußerungen kommt. Der Betroffene kann durch die plötzliche Verkrampfung stürzen und sich verletzen. Ein tonischer Anfall ist meist recht kurz (1 bis 30 Sekunden).
  • Die epileptische Aktivität entsteht bei einem klonischen Anfall in einem kleinen Teil des Gehirns. Es kommt zu regelmäßigen Zuckungen einer Gliedmaße, ohne dass der Betroffene das Bewusstsein verliert. Manchmal können sich Zuckungen ausbreiten zum Beispiel von der Hand auf den Arm.
  • Bei einem atonischen Anfall kommt es zu einer plötzlichen Verminderung der Haltemuskulatur des Körpers. Der Kopf sackt ab, der Unterkiefer sinkt herab, Körper und Beine knicken ein. Der plötzliche Verlust des Haltetonus kann zu einem Sturz führen. Auch ein kurzer Bewusstseinsverlust ist möglich. Betroffene Personen stehen jedoch meist sofort wieder auf.

Die Abstände zwischen den Anfällen betragen mitunter Tage, Wochen, manchmal sogar viele Monate oder Jahre. Viele Betroffene haben in dieser Zeit keine gesundheitlichen Probleme. Das heißt, sie sind nur durch die Symptome eingeschränkt, die während eines Anfalls auftreten. Epilepsien werden überwiegend medikamentös mit Antikonvulsiva behandelt. Optimal eingestellt sind 70 bis 75 Prozent aller Epilepsie-Patienten dauerhaft anfallsfrei.3

  1. Elger C. E., Berkenfeld R. (geteilte Erstautorenschaft) et al. S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. 2017, S. 12. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien. Zuletzt aufgerufen in 03/18.
  2. Fisher RS, Acevedo C, Arzimanoglou A et al. ILAE official report: a practical clinical definition of epilepsy. Epilepsia 2014; 475–482, DOI: 10.1111/epi.12550.
  3. REHADAT: Epilepsie im Arbeitsleben, S. 2, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 2011.