Schilddrüsenunterfunktion bei Kinderwunsch

Ein unerfüllter Kinderwunsch ist keine Seltenheit und belastend für betroffene Paare. Auf der Suche nach den Ursachen sollte auch an die Schilddrüse gedacht werden. Denn funktioniert das kleine Organ nicht richtig, kann das negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben. Bereits eine gering ausgeprägte Schilddrüsenunterfunktion kann eine Ursache des unerfüllten Kinderwunsches sein.
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Bei einer Schilddrüsenunterfunktion werden zu wenig Schilddrüsenhormone – also Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin bzw. Thyroxin (T4) – gebildet. Der medizinische Fachbegriff für die Unterfunktion der Hormondrüse lautet Hypothyreose. Dabei wird zwischen einer manifesten und einer latenten Hypothyreose unterschieden. Betroffene der manifesten Form haben deutlich verringerte Schilddrüsenhormonspiegel und spüren Symptome wie z.B. Müdigkeit, Antriebsarmut oder Gewichtszunahme.1 Die Häufigkeit der manifesten Hypothyreose liegt zwischen ein bis zwei Prozent.1 Bei der latenten Unterfunktion – auch subklinische Hypothyreose genannt – produziert die Schilddrüse noch ausreichend Schilddrüsenhormone. Die beginnende Unterfunktion wird allerdings durch eine erhöhte Bildung von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) kompensiert und die TSH-Werte im Blut sind erhöht. Betroffene leiden in der Regel noch nicht unter typischen Beschwerden einer Unterfunktion. Die latente Hypothyreose kommt mit drei bis zehn Prozent wesentlich häufiger vor als die manifeste Form.2 Generell sind Frauen vier- bis fünfmal häufiger von einer Schilddrüsenunterfunktion betroffen als Männer, sodass die Erkrankung des kleinen, aber lebenswichtigen Organs vor allem bei Frauen keine Seltenheit ist.1

Eine gesunde Schilddrüsenfunktion ist wichtig für die Fruchtbarkeit

Die Schilddrüse beeinflusst viele wichtige Körperfunktionen wie den Stoffwechsel, das Wachstum und die Entwicklung. Auch für die Fruchtbarkeit ist eine gesunde Schilddrüsenfunktion wichtig. Sowohl eine Unter- als auch eine Überfunktion können die Fruchtbarkeit stark beeinträchtigen. Schätzungsweise leiden zehn Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch unter einer Funktionsstörung der Schilddrüse. In den meisten Fällen ist dann eine Schilddrüsenunterfunktion die Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch.3

Bereits eine Hypothyreose ohne Symptome, latente Schilddrüsenunterfunktion, kann sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken.3 Denn die Hormone T3 und T4 der Schilddrüse beeinflussen die Sexualhormone.4 Sie haben Auswirkung auf die Bildung von Östrogen, Progesteron sowie Testosteron.5 T4 hat Einfluss auf die Reifung der weiblichen Eizellen und T3 unterstützt beim Eisprung der reifen Eizelle, ohne den eine Schwangerschaft nicht entstehen kann.4 Besteht eine Hypothyreose, kann bei betroffenen Frauen die monatliche Blutung seltener auftreten oder sogar ganz ausbleiben.6

Es kann auch zum Ausbleiben eines Eisprungs kommen. Das erschwert Betroffenen, schwanger zu werden.

Auch bei der Befruchtung spielen Schilddrüsenhormone eine wichtige Rolle. Sie unterstützen viele Prozesse, die das Verschmelzen von weiblicher Eizelle mit männlichem Spermium, dem Beginn einer Schwangerschaft, erleichtern. Vor allem bei einer künstlichen Befruchtung ist eine ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormonen von Bedeutung.8,9 Sollte es trotz einer Schilddrüsenunterfunktion zu einer Schwangerschaft kommen, ist das Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen des Kindes erhöht.3

Ab wann gilt ein Paar überhaupt als ungewollt kinderlos?³ Wenn die Frau unter 35 Jahre alt ist, das Paar es ein Jahr lang ohne Verhütung versucht und dennoch keine Schwangerschaft eintritt. Wenn die Frau über 35 Jahre alt ist, gilt das Paar bereits nach sechs Monaten verhütungsfreien, erfolglosen Versuchen als ungewollt kinderlos. Oder wenn Schwangerschaften eintreten, es aber wiederholt zu Fehlgeburten kommt.

Wenn es nicht klappt, auch an die Schilddrüse denken

Da bereits eine subklinische Hypothyreose, unter der drei bis zehn Prozent der Menschen leiden,1,2 die Fruchtbarkeit beeinflussen kann, sollte bei unerfülltem Kinderwunsch auch die Funktion der Schilddrüse überprüft werden.6

Bei 10 bis 30 Prozent der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ist die Ursache der Unfruchtbarkeit unklar.10 Möglicherweise steckt bei vielen dieser Paare eine Funktionsstörung der Schilddrüse dahinter. Eine Untersuchung der Schilddrüse sollte der Frauenarzt vor allem dann einleiten, wenn die Patientin einen unregelmäßigen Zyklus hat oder in der Familie bereits Schilddrüsenprobleme aufgetreten sind.3

Bei Problemen mit der Fruchtbarkeit wird der Frauenarzt auch an die Schilddrüse denken, da nicht wenige Frauen unbemerkt eine leichte oder beginnende Schilddrüsenfunktionsstörung haben. Normalerweise ist es nicht erforderlich, diese latente Unterfunktion zu behandeln, doch bei Fruchtbarkeitsstörungen kann vom behandelnden Arzt eine Behandlung in Betracht gezogen werden.1, 13

Eine beginnende Hypothyreose kann über die Bestimmung des TSH-Wertes im Blut erfasst werden. Ab Werten über 4,0 mU/l (mU steht für „Milli-Units“ (engl. für Milli-Einheiten) und l ist die Abkürzung für Liter) gilt ein TSH-Wert als erhöht.11 Einige Hormonspezialisten, auch Endokrinologen genannt, raten Frauen mit Kinderwunsch zu niedrigeren TSH-Werten, um die Stoffwechsellage der Frau zu optimieren oder auch um die Chance auf Erfolg einer künstlichen Befruchtung zu erhöhen.12, 13 Zum Teil setzen die behandelnden Fachärzte die TSH-Zielwerte in der Kinderwunschbehandlung sehr niedrig an12,13 und streben Werte zwischen 1,0 bis 2,0 mU/l an4,6, um die Stoffwechsellage der Frau zu optimieren und so die Chance auf Erfolg der künstlichen Befruchtung zu erhöhen.

Neben dem TSH-Wert können für die Überprüfung der Schilddrüsenfunktion auch die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 im Blut bestimmt werden.5 Sind diese zu niedrig, liegt eine manifeste Schilddrüsenunterfunktion vor, deren Ursachen abgeklärt werden sollten.

Falls erforderlich, wird die Schilddrüse mittels Ultraschall oder auch einer Szintigrafie (einem speziellen bildgebenden Verfahren, das radioaktiv markierte Substanzen zu Hilfe nimmt) untersucht. Im Rahmen einer Blutuntersuchung kann zudem auf bestimmte Antikörper geprüft werden.7

Sind die Werte für die Antikörper gegen das Thyreoglobulin (Tg-AK) und/oder gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK) erhöht, kann dies ein Hinweis auf die Autoimmunerkrankung Hashimoto Thyreoiditis sein. Diese chronisch entzündliche Erkrankung der Schilddrüse ist die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion.11

Aus diesem Grund bezieht der behandelnde Arzt neben dem TSH-Wert auch den TPO-Antikörperstatus bei der Entscheidung für oder gegen eine Schilddrüsenhormonbehandlung mit ein. Liegt der TSH-Wert über 2,5 mU/l und sind vermehrt TPO-Antikörper im Blut der Patientin nachzuweisen, wird eine Hormonsubstitution empfohlen, insbesondere dann, wenn eine künstliche Befruchtung geplant ist.16

Behandlung der Hypothyreose bei Kinderwunsch und darüber hinaus

Nach ausführlicher Untersuchung der Schilddrüse entscheidet der behandelnde Arzt, ob eine medikamentöse Therapie begonnen wird. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann durch die Gabe von künstlichem Thyroxin (T4) ausgeglichen werden. Die Dosis ist dabei an den individuellen Bedarf anzupassen. Ob der gewünschte TSH-Wert mithilfe von Schilddrüsenmedikamenten erreicht wird, kann über regelmäßige Blutwertbestimmungen kontrolliert werden. Es wird eine Nachkontrolle etwa acht bis zwölf Wochen nach Therapiebeginn empfohlen.11

Tritt die ersehnte Schwangerschaft ein, ist es wichtig, weiterhin die Schilddrüsenhormone einzunehmen und die Schilddrüsenfunktion kontrollieren zu lassen, um gegebenenfalls die Dosis der Schilddrüsenmedikamente anzupassen. Denn vor allem in der Schwangerschaft ist eine ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormonen unerlässlich. Bei einem Mangel an T3 und T4 kann es zu Entwicklungsschäden beim Ungeborenen oder gar zur Fehlgeburt kommen.8,13

Weitere Informationen zu Schilddrüsenhormonen während der Schwangerschaft finden Sie hier.

Unerfüllter Kinderwunsch trotz Schilddrüsenbehandlung

Wenn eine Therapie mit Schilddrüsenmedikamenten begonnen wurde, aber die Patientin dennoch nicht schwanger wird, sollte vom behandelnden Arzt überprüft werden, ob die Dosis des Medikamentes richtig eingestellt ist und die angestrebten TSH-Zielwerte erreicht werden.

Außerdem sollte bedacht werden, dass eine Funktionsstörung der Schilddrüse nur eine mögliche Ursache für die Kinderlosigkeit ist. Darüber hinaus gibt es viele weitere Faktoren, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können.13

So können z. B. hormonelle Störungen durch Fehlfunktionen der Eierstöcke, das sogenannte polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) oder ein Überschuss an männlichen Hormonen (Hyperandrogenismus) ebenfalls Ursachen des unerfüllten Kinderwunsches sein.4

Oder Möglicherweise liegt ein Mangel an Mikronährstoffen vor, die für eine Schwangerschaft unerlässlich sind. Das lässt sich durch eine Blutprobe im Labor leicht überprüfen. So ist es z. B. wichtig, dass eine ausreichende Versorgung u.a. mit Folsäure, Vitamin C, Vitamin D3, Jod, Eisen, Kalzium, Kalium, Magnesium, Selen und Omega-3-Fettsäuren gegeben ist. Sollte ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen nachgewiesen werden, können diese durch eine Ernährungsumstellung oder in Form von Nahrungsergänzungsmitteln bzw. Medikamenten zugeführt werden. Bei einem Jodmangel können Nahrungsmittel wie Meeresfrüchte (Kabeljau, Lachs, Rotbarsch, Miesmuscheln, Austern), Algen, Meersalz, Hartkäse, Zwiebeln, Lauch oder Sojakeime helfen, da sie reichlich Jod enthalten und somit die Aktivität der Schilddrüse unterstützen können.5

Bei unerfülltem Kinderwunsch untersucht der behandelnde Arzt nicht nur hinsichtlich möglicher Hormonstörungen, auch die Stoffwechsellage wird überprüft. Denn auch z.B. Diabetes mellitus und starkes Übergewicht können die Fruchtbarkeit ebenfalls beeinträchtigen. Eine gesunde Ernährung und Lebensweise können demzufolge auf dem Weg zur ersehnten Schwangerschaft sinnvoll unterstützen.4

Auch beim Mann kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein

Bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch ist die Ursache nicht nur allein bei der Frau zu suchen. Bei den betroffenen Paaren liegt eine Fruchtbarkeitsstörung bei 30 bis 40 Prozent beim Mann und zu etwa gleichen Teilen bei der Frau vor. Bei etwa 20 Prozent der ungewollt Kinderlosen haben sowohl der Mann als auch die Frau Probleme mit der Fruchtbarkeit.14

Beim Mann können hormonelle oder stoffwechselbedingte Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit vorliegen. So kann die Spermienanzahl und/oder Spermienqualität des Mannes aufgrund von Fehlfunktionen der Hoden oder ungesunder Lebensweise gering sein.4 Auch eine Funktionsstörung der Schilddrüse des Mannes kann Ursache des unerfüllten Kinderwunsches sein. Denn ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann zu Erektionsstörungen oder zu verringerter Spermienqualität führen.6 T3 und T4 beeinflussen zudem die ausreichende Bildung von Testosteron – dem wichtigsten männlichen Hormon.5 Folglich sollte auf der Suche nach den Ursachen von Fruchtbarkeitsproblemen von Männern auch an die Schilddrüse gedacht werden.

Fazit

Sowohl bei der Frau als auch beim Mann ist neben vielen anderen Faktoren eine gesunde Schilddrüsenfunktion wichtig für die Fruchtbarkeit. Bei unerfülltem Kinderwunsch sollten die Partner daher auch auf ausreichende Schilddrüsenhormonspiegel hin untersucht werden.

Referenzen

  1. Walliczek-Dworschak, U.: Hypothyreose. Gelbe Liste.de. 09.12.2019. https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/hypothyreose, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  2. Schübel, J. et al.: Latente Hypothyreose des Erwachsenen. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 430-8. https://www.aerzteblatt.de/archiv/190787/Latente-Hypothyreose-des-Erwachsenen, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  3. Zieren, H. U.: Schilddrüse und Kinderwunsch. Schilddrüsenzentrum Köln. https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddruese-und-kinderwunsch/, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  4. Wie Schilddrüsenfunktionsstörungen die Fruchtbarkeit beeinflussen. IVI Blog. 09.2017. https://ivi-fruchtbarkeit.de/blog/wie-schilddrusenfunktionsstorungen-die-fruchtbarkeit-beeinflussen/, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  5. Schwarzer, L.: Schilddrüsenunterfunktion bei Kinderwunsch: Symptome und Behandlung. Fertila.de. 22.11.2019. https://fertila.de/schilddruesenunterfunktion-bei-kinderwunsch-symptome-und-behandlung/, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  6. Harbeck, B. et al.: Infertilität. Gynäkol. Endokrinol. 2012;10:26-30. https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10304-011-0446-6, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  7. Zieren, H. U.: Diagnose. Schilddrüsenzentrum Köln. https://www.schilddruesenzentrum-koeln.de/wissenswertes/diagnose, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  8. Weiss, M.: Schilddrüse und Kinderwunsch. UniversiMed.com. 14.06.2018. https://www.universimed.com/ch/article/gynaekologie-geburtshilfe/schilddruese-und-kinderwunsch-2105881, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  9. Vissenberg, R. et al.: Pathophysiological aspects of thyroid hormone disorders/thyroid peroxidase autoantibodies and reproduction. Hum Reprod Update 2015; 21(3): 378-87.
  10. Promintzer-Schifferl, M. et al.: Schilddrüse und Schwangerschaft: Schein und Sein. Wiener Med Wochenschrift 2020;170:35-40. https://link.springer.com/article/10.1007/s10354-018-0680-9 , zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  11. DEGAM-Leitlinie Nr. 18. S2k-Leitlinie. Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis. AWMF-Registernr.: 053-046. Stand: 05/2023. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-046l_S2k_erhoehter_TSH_Wert_2017-04-verlaengert.pdf, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  12. Bublak, R.: Befruchtende Normen. ÄrzteZeitung.de. 22.01.2018. https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Befruchtende-Normen-299403.html, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  13. Kinderwunsch und Schilddrüse. Schilddrüsenpraxis Josefstadt. https://www.schilddruesenpraxis.at/kinderwunsch.html, zuletzt aufgerufen in 06/2023.
  14. Adam, A. et al.: Ungewollt kinderlos: Mögliche Gründe für Unfruchtbarkeit. Baby-und-Familie.de. 06.02.2018. https://www.baby-und-familie.de/Kinderwunsch/Ungewollt-kinderlos-Moegliche-Gruende-fuer-Unfruchtbarkeit-57130.html, zuletzt aufgerufen in 06/2023.