Therapie der Hypercholesterinämie: Erste Schritte

Zielwertbestimmung und Lebensstiländerungen

Ein Cholesterinwert allein sagt wenig aus und darf nicht isoliert betrachtet werden. Die Risikoklassifizierung eines Patienten ist abhängig von individuellen Risikofaktoren und dem ganz persönlichen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Aufgrund der Ergebnisse zahlreicher Studien gilt aktuell, den LDL-Cholesterinspiegel so weit wie möglich zu senken, um kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit hohem und sehr hohem Risiko. Wie das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie der LDL-Cholesterin-Zielwert bestimmt werden und welche Lebensstiländerungen die aktuellen Dyslipidämie-Leitlinien empfehlen, erfahren Sie hier.

Festlegung des individuellen LDL-Cholesterin-Zielwertes

Oberstes Ziel der Behandlung einer Hypercholesterinämie ist laut Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology, ESC) die Verminderung des Risikos für Folgeerkrankungen. 2019 wurde die aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien veröffentlicht.1 Die aktuelle Empfehlung der ESC lautet, den LDL-Cholesterinspiegel so früh und so weit wie möglich zu senken, um kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen. Dies gilt vor allem für Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulären Risiko. Denn aktuelle genetische Studien untermauern den Zusammenhang zwischen LDL-Cholesterin (LDL-C) und der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem zeigen große randomisierte Studien, z. B. zu einem Cholesterin-Resorptionshemmer oder zu PCSK9-Inhibitoren, eine weitere Verringerung kardiovaskulärer Ereignisse, indem bisherige LDL-C-Zielwerte unterschritten wurden.2

Die LDL-C-Zielwerte der aktuellen ESC-Leitlinie richten sich nach der Höhe des individuellen kardiovaskulären Gesamtrisikos. Die Einteilung in Risikokategorien erfolgt unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren. Dazu gehören u.a.:

  • bestehende atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD),
  • Diabetes Typ 1 bzw. 2,
  • chronische Nierenerkrankung (CKD),
  • familiäre Hypercholesterinämie (FH),
  • Alter,
  • erhöhte LDL-C-Werte,
  • erhöhte Triglycerid-Werte sowie
  • Bluthochdruck1,3

Entsprechend des Gesamtrisikos für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wird ein individueller Zielwert für das LDL-Cholesterin festgesetzt.

Nutzen Sie Ihren DocCheck-Login und erfahren Sie mehr zur Festlegung des patientenindividuellen LDL-C-Zielwertes gemäß den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Wir informieren Sie zudem über Neuerungen in den europäischen Dyslipidämie-Leitlinien 2019.

Weiter geht's nach Ihrer Anmeldung

Auswahl an Lebensmitteln zur Senkung des LDL-C-Spiegels und zur Verbesserung des Lipidprofils im Blut³

Lebensmittel Zu bevorzugen Maßvoll konsumieren Gelegentlicher Konsum in begrenztem Umfang
Getreide Vollkorn Weißbrot, Reis und Nudeln, Gebäck, Cornflakes Backwaren, Muffins, Pasteten, Croissants
Gemüse Rohes und gekochtes Gemüse Kartoffeln Gemüse in Butter oder Sahne zubereitet
Hülsenfrüchte Linsen, Bohnen, Saubohnen, Erbsen, Kichererbsen, Sojabohnen    
Früchte Frische oder gefrorene Früchte Trockenfrüchte, Gelee, Marmelade, Obstkonserven, Sorbets, Wassereis, Fruchtsaft  
Süßigkeiten und Süßstoffe Süßstoffe ohne Kaloriengehalt Zucker, Honig, Schokolade, Süßwaren Kuchen, Eiscreme, Fruktose, alkoholfreie Getränke
Fleisch und Fisch Magerer und fetter Fisch, Geflügel ohne Haut Mageres Rind-, Lamm-, Schweine- oder Kalbfleisch, Meeresfrüchte, Schalentiere Würstchen, Salami, Speck, Spareribs, Hotdogs, Innereien
Milchprodukte und Eier Magermilch und -joghurt Fettarme Milch, fettarmer Käse und andere Milchprodukte, Eier Käse, Sahne, Vollmilch und Joghurt
Kochfett und Soßen Essig, Senf, fettfreie Soßen Olivenöl, nicht-tropische pflanzliche Öle, Margarine, Salatsoßen, Mayonnaise, Ketchup Transfette und gehärtete Margarine (besser vermeiden), Palm- und Kokosnussöl, Butter, Schmalz, Schinkenspeck
Nüsse/Körner   Alle, ungesalzen (außer Kokosnuss) Kokosnuss
Zubereitungsweisen Grillen, Kochen, Dampfgaren Frittieren, Rösten Braten

Gute Fette – schlechte Fette

Fette sind lebenswichtig, aber die Menge und Qualität sind entscheidend. Transfette sind ungesättigte Fettsäuren mit einer oder mehr trans-konfigurierten Doppelbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen. Sie sind vor allem in Fleisch, Milch- und Fertigprodukten mit gehärteten Fetten zu finden. Lebensmittel, die reich an Transfettsäuren sind, sollten Patienten mit Hypercholesterinämie gänzlich meiden.

Gesättigte Fettsäuren sollten laut aktuellen Dyslipidämie-Leitlinien von Patienten mit Hypercholesterinämie durch ungesättigte Fettsäuren ersetzt werden. Tropische Öle, verarbeitetes bzw. fettes Fleisch, fetthaltiger Käse, Butter, Sahne sowie Süßigkeiten sind reich an gesättigten Fettsäuren. Diese Lebensmittel können die LDL-C-Spiegel erhöhen. Zu bevorzugen sind hingegen einfach ungesättigte Fettsäuren, die z. B. in Avocado oder nativem Olivenöl enthalten sind, sowie mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Diese sind vor allem in Walnüssen, Kichererbsen oder Leinöl zu finden. Ungesättigte Fettsäuren sind von Vorteil, da sie den LDL-Cholesterinspiegel nicht erhöhen. Patienten mit Hypercholesterinämie sollten daher laut aktuellen Leitlinien ihre Zufuhr an gesättigten Fettsäuren auf unter zehn Prozent reduzieren. Ist der Cholesterin-Plasmaspiegel der Patienten hoch, sollte die Zufuhr gesättigter Fettsäuren unter sieben Prozent gehalten werden.
Unterschiedliche Fette können die Serumspiegel für das Cholesterin auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Daher sollten insbesondere Patienten mit erhöhten LDL-Cholesterin-Spiegeln darauf achten, weniger tierische Fette, mehr fettarme Nahrungsmittel und mehr pflanzliche Fette in ihre Ernährung einzubauen.3,4

Mit Ballaststoffen den Cholesterinspiegel aktiv senken

Empfehlen Sie Ihren Patienten mit Hypercholesterinämie, bei Vollkornprodukten, Obst und Gemüse zuzugreifen. Denn diese Lebensmittel enthalten Ballaststoffe, die länger im Magen-Darm-Trakt verbleiben und somit lange satt machen. Eine weitere positive Wirkung von Ballaststoffen: Sie können den Cholesterinspiegel aktiv senken, indem sie Gallensäuren im Darm binden. Dies gilt insbesondere für lösliche Ballaststoffe, die vor allem in Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse und Vollkornprodukten (z. B. Hafer und Gerste) enthalten sind. Damit sind Ballaststoffe ein wichtiger Bestandteil der Therapie der Hypercholesterinämie und werden auch in den aktuellen ESC-Leitlinien als geeigneter Ersatz für gesättigte Fettsäuren und zuckerhaltige Lebensmittel empfohlen. Eine fettsäuremodifizierte Ernährung mit täglich 25 bis 40 Gramm Ballaststoffen, wovon mindestens sieben bis zu dreizehn Gramm lösliche Faserstoffe sind, wird gut vertragen und ist wirksam in der Kontrolle der Hypercholesterinämie.

Beta-Glucane sind spezielle Faserstoffe, die in Hafer und Gerste vorkommen. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass diese Polysaccharide den Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel senken können. Um den LDL-C-Spiegel um drei bis fünf Prozent zu senken, sind täglich drei bis zehn Gramm Beta-Glucane erforderlich. Darüber hinaus haben Ballaststoffe eine positive Wirkung auf die Darmflora.1,5,6

Bewegung in den Alltag bringen

Raten Sie Ihren Patienten zum Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen, mehr Bewegung in den Alltag zu bringen. So werden z. B. bei einer Stunde Wohnung putzen etwa 270 Kilokalorien verbraucht. Das entspricht der Kalorienmenge einer Scheibe Vollkornbrot mit Butter und Schnittkäse.
Durch Ausdauersport können Patienten mit erhöhten Cholesterinwerten noch mehr und effektiver Kalorien verbrauchen. Denn der Stoffwechsel wird besonders durch Ausdauersport aktiviert.7,8

Alltagsaktivität Kalorienverbrauch*
Treppensteigen 500 kcal
Putzen 272 kcal
Staubsaugen 240 kcal
Bettenmachen 140 kcal
Rasenmähen 124 kcal
Bügeln 112 kcal

* Kalorienverbrauch pro 60 Minuten bei einem Körpergewicht von 70 kg

Ausdauersportart Kalorienverbrauch**
Schwimmen 330 kcal
Joggen 294 kcal
Rudern 280 kcal
Wandern 270 kcal
Radfahren 212 kcal
Nordic Walking 184 kcal
Skifahren 240 kcal
Gymnastik 136 kcal
Volleyball 118 kcal
Tanzen 90 kcal

** Kalorienverbrauch pro 30 Minuten bei einem Körpergewicht von 70 kg

Zusammengefasst: Zielwertbestimmung und Lebensstiländerungen in der Therapie der Hypercholesterinämie

Bereits vor Therapiebeginn werden die LDL-C-Zielwerte für die Behandlung der Hypercholesterinämie abhängig vom kardiovaskulären Gesamtrisiko des Patienten individuell festgelegt. Hilfestellungen zur Bestimmung der Risikokategorie des Patienten mit Hypercholesterinämie bieten die Dyslipidämie-Leitlinien. Generell lauten die Empfehlung der aktuellen ESC-Leitlinien, den LDL-Cholesterinspiegel so weit wie möglich zu senken.¹ Die Basis in der Therapie der Hypercholesterinämie ist ein gesunder Lebensstil. Die gültigen Dyslipidämie-Leitlinien empfehlen eine ausgewogene Ernährung mit einem geringen Anteil an gesättigten Fettsäuren, die reich an Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und Fisch ist. Zudem werden regelmäßige körperliche Aktivität von mittlerer Intensität, eine Normalisierung von Körpergewicht und Blutdruck sowie der Verzicht auf Tabakwaren zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen angeraten. Mit verschiedenen Lebensstilmodifikationen kann der Gesamt- und der LDL-C-Spiegel in unterschiedlichem Ausmaß gesenkt werden. So führt eine Verringerung des Anteils gesättigter Fettsäuren in der Nahrung zu einer LDL-C-Senkung von über zehn Prozent. Eine Erhöhung des Ballaststoffanteils in der Nahrung, mit Phytosterolen angereicherte „funktionelle“ Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel mit rot fermentiertem Reis können den LDL-C-Spiegel um fünf bis zehn Prozent senken. Die reduzierte Cholesterinaufnahme mit der Nahrung oder die gesteigerte körperlichen Aktivität im Alltagsleben bewirken eine LDL-C-Spiegelsenkung von bis zu fünf Prozent.³

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Bedeutung
ACS Akutes Koronarsysndrom
ASCVD Atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen
ApoB Apolipoprotein B
BMI Body-Mass-Index
CDV Herz-Kreislauf-Erkankungen
CKD Chronische Nierenerkrankung
DM Diabetes mellitus
ESC European Society of Cardiology (Europäische Gesellschaft für Kardiologie)
FH Familiäre Hypercholesterinämie
GFR Glomeruläre Filtrationsrate
HDL-C High-Density-Lipoprotein-Cholesterin
LDL-C Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin
Lp(a) Lipoprotein(a)
PAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit
PCI perkutane Koronarintervention
TC Gesamtcholesterin
TIA transitorische ischämische Attacke
T1DM Typ 1 Diabetes mellitus
T2DM Typ 2 Diabetes mellitus

Referenzen

  1. Mach F et al. 2019 ESC/EAS guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020;41(1):111-188.
  2. Weingärtner, O. et al.: Kommentar zu den Leitlinien (2019) der ESC/EAS zur Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien. Kardiologe 2020;14:256-266.
  3. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien. ESC/EAS Pocket Guidelines. Version 2019. https://leitlinien.dgk.org/files/19_2019_pocket_leitlinien_dyslipidaemie..., zuletzt aufgerufen in 11/2020.
  4. Richter, W. Cholesterin-Ratgeber. 5. Auflage. Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga). 2014. https://www.lipid-liga.de/images/PDF/Cholesterin-Ratgeber.pdf, zuletzt aufgerufen in 11/2020.
  5. Surampudi P et al. Lipid Lowering with Soluble Dietary Fiber. Curr Atheroscler Rep 2016; 18(12):75.
  6. Deutsches Ernährungsberatungs- und informationsnetz (DEBInet). Fettstoffwechselstörungen - Sekundäre Pflanzenstoffe. http://www.ernaehrung.de/tipps/fettstoffwechselstoerungen/fett19.php, zuletzt aufgerufen im 11/2020.
  7. Cholesterinbewusst leben. Ernährungs- und Bewegungsratgeber von Hexal. Juni 2019. https://www.hexal-elements.de/serviceartikel/docs/6HERXS19005_Antilia_St..., zuletzt aufgerufen im 11/2020.
  8. BMI-Rechner.biz. https://www.bmi-rechner.biz, zuletzt aufgerufen im 11/2020.