Familiäres Mammakarzinomrisiko

Hormonersatztherapie bei erhöhtem familiären Mammakarzinomrisiko

Eine Kasuistik von Prof. Dr. med. Sabine Segerer

Anamnese

  • 38 jährige Patientin
  • Symptomatik: Hitzewallungen, Schlafstörungen, deutliche Abnahme der Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen und depressive Verstimmungen, ausgeprägte Dyspareunie bereits kurz nach prophylaktischer beidseitiger Salpingoovarektomie, eingeschränkte Lebensqualität
  • Anwendung pflanzlicher Alternativen bislang erfolglos
  • Mutation im Breast Cancer Gen 2 (BRCA2)
  • Bisher kein Mammakarzinom diagnostiziert; Früherkennungsuntersuchungen unauffällig
  • Keine Medikation, kein Nikotinkonsum, keine Thrombose/Embolie in der Familienanamnese
  • Blutdruck: RR 130/80 mmHg
  • BMI: 24 kg/m2

Prof. Dr. med. Sabine Segerer

Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe bei amedes experts in Hamburg mit Schwerpunkt Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.

Hormonersatztherapie (HRT) trotz Risikos für ein Mammakarzinom?

Das kumulative Lebenszeitrisiko für ein Mammakarzinom bei Trägerinnen des BRCA2 Gens beträgt bis zu 75 %.1 Eine bilaterale Salpingoovarektomie senkt das Mammakarzinomrisiko dabei um 50 %.2 Allerdings führt die Ovarektomie zu einem frühzeitigen Verlust der Ovarfunktion, was wiederum mit typischen klimakterischen Beschwerden, aber auch Langzeitfolgen (Osteoporoserisiko, gesteigertes kardiovaskuläres Risiko) assoziiert ist. Die Frage, ob eine HRT mit einem gesteigerten Mammakarzinomrisiko bei BRCA-positiven Frauen verbunden ist, wurde bereits in einer Reihe an Studien untersucht. Diese ergaben, dass eine kurzzeitige HRT keinen negativen Effekt auf das Mammakarzinomrisiko bei BRCA-Mutationsträgern zu haben scheint.3 Liegt bereits ein Mammakarzinom vor, wird der Einsatz einer HRT nicht empfohlen.4

Wie sieht die Therapie aus?

Bei fehlenden kardiovaskulären Risikofaktoren wird mit der Patientin eine kontinuierliche orale Kombinationstherapie besprochen, da nur eine Salpingoovarektomie beidseits stattfand und die Gebärmutter erhalten wurde.

Die Einnahme kann bis zum natürlichen Menopausenalter erfolgen, sofern im Verlauf keine weiteren Risikofaktoren hinzukommen.

Um die in Folge der vulvovaginalen Atrophie aufgetretene Dyspareunie zu therapieren, wird der Patientin eine lokale Östrogenisierung empfohlen.

Vorgehen bei Patientinnen mit Mammakarzinom in der Vorgeschichte:

Aufgrund der bisherigen Studienergebnisse ist anzunehmen, dass eine systemische HRT mit einer Steigerung des Mammakarzinomrisikos assoziiert sein kann. Eine HRT sollte daher bei Frauen nach einem Mammakarzinom nicht durchgeführt werden. Nur im Einzelfall bei Versagen nicht-hormoneller Therapiemaßnahmen und erheblicher Einschränkung der Lebensqualität kann eine HRT nach entsprechender Risikoaufklärung eingesetzt werden.4

Bei lokalen Beschwerden wäre ebenfalls zunächst die Anwendung von alternativen Therapieoptionen zu empfehlen
(z.B. Feuchtigkeitscremes). Bei Therapie-refraktären Beschwerden wäre nach entsprechender Aufklärung eine vaginale Anwendung von Estriol möglich.

HRT = Hormonersatztherapie

  1. Narod SA and Salmena L, Discov Med. 2011; 12(66):445-53.
  2. Rebbeck, TR, Friebel T, Lynch HT, J Clin Oncol. 2004 Mar 15;22(6):1055-62. 
  3. Huber, D, et al. J Cancer Res Clin Oncol. 2021; 147(7): 2035–2045.
  4. S3 Leitlinie Peri- und Postmenopausale Diagnostik und Intervention: https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-062l_S3_HT_Peri-Postmeno... Zugriff: 02.11.2023