Menschen

Dr. Stefan Spaniel – Apotheker und Notarzt

Pendeln zwischen zwei Berufen, die wie Feuer und Wasser sind? Geht das überhaupt? Ja, das geht! Dr. Stefan Spaniel macht es vor!

Symbiose aus Arzt und Apotheker

Wenn Dr. Stefan Spaniel abends seine Apotheke abschließt, fährt er nach Hause zu seiner Familie oder zum Stammtisch mit Freunden. Einmal in der Woche aber steigt er in seinen weiß-roten Geländewagen und tritt seinen Dienst als Notarzt an. Denn Stefan Spaniel ist Arzt und Apotheker und damit eine besondere Spezies. Dass Apotheker auch Ärzte sind, beziehungsweise umgekehrt, ist selten. Die wenigsten nehmen zwei so anspruchsvolle Studiengänge auf sich und üben dann beide Berufe parallel aus.
Dr. Spaniel hat seinen Weg gefunden, zwischen beiden Berufen zu pendeln. Nach seiner Tour de Force durch zwei Studiengänge hat er die Kleinstadt-Apotheke seines Vaters in Mittelfranken übernommen und wenige Kilometer entfernt eine zweite eröffnet. Der Senior unterstützt ihn bei der Buchhaltung, seine Frau Sylwia als Apothekerin in der Offizin.

Keine Konkurrenz

Arzt und Apotheker in einer Person

Als er gerade vor seinem neuen Lagerautomaten steht, bittet eine Mitarbeiterin ihn um Rat. Ein Kunde will eine verschreibungspflichtige Salbe kaufen, hat dafür aber kein Rezept, weil er sich den Weg zum Arzt in die nächste Stadt sparen will. „Kennen wir ihn?“, fragt Spaniel. „Nein, er steht nicht in der Kundenkartei.“ In diesem Fall könne er nicht helfen. Kann er nicht schnell ein Privatrezept ausstellen? Nicht ohne Untersuchung! „Ich möchte nicht in Konkurrenz zu meinen niedergelassenen Kollegen treten“, sagt er.

Geschätzter Kollege

Das Verhältnis zwischen Ärzten und Apothekern gilt ohnehin nicht als das beste. Dazu passt das Ergebnis einer AOK-Umfrage von 2017: Demnach haben Ärzte wenig Vertrauen in das Fachwissen von Apothekern. Nur neun von 100 befragten Ärzten wenden sich an einen Apotheker, um sich zu informieren. Dass umgekehrt Apotheker vor allem bei Ärzten anrufen, wenn ein Rezept fehlerhaft ausgefüllt ist, verbessert die interdisziplinäre Kommunikation nicht gerade. Diese Probleme kennt Spaniel nicht. Im Gegenteil: Die meisten Ärzte aus der Umgebung duzt er. Einige rufen ihn sogar an, wenn sie ein medizinisches Problem haben. Sie schätzen das Urteil des Kollegen. Denn Spaniel ist einmal in der Woche auch als Notarzt im Einsatz. Dann steckt er sich nach Feierabend einen Pieper an und fährt mit seinem Rettungswagen dorthin, wohin ihn die Einsatzkräfte in der Leitstelle schicken. Zusätzlich schiebt er eine Nacht im Monat Dienst im Krankenhaus in der Nachbargemeinde. „Das mache ich, um drinzubleiben“, erklärt er.
Dem Arzt Dr. Spaniel hilft sein Wissen als Apotheker. Zum Beispiel in jener Nacht, als ein alter Mann mit starkem Nasenbluten in die Notaufnahme kam. Welche Medikamente er einnähme, fragte Spaniel. „Die weißen Pillen zur Blutverdünnung und die grünen wegen des Bluthochdrucks.“ Sofort erkannte Spaniel die Ursache: Die Krankenkasse hatte kürzlich den Rabattvertrag gewechselt. Während die Blutdrucksenker des vorherigen Anbieters grün waren, waren die des neuen weiß und dessen Blutverdünner stattdessen grün. Der Patient hatte die Tabletten verwechselt und zu viel Blutverdünner geschluckt.

Im Jahr 1231 verbot Stauferkaiser Friedrich II. Ärzten, eine Apotheke zu besitzen. Im Sinne des Patientenschutzes sollten Mediziner nur für Diagnosen und Heilung, Apotheker nur für die Medikamente zuständig sein. Das sogenannte „Liber Augustalis“ wurde später Vorbild für die Apothekengesetzgebung in ganz Europa.

Liber Augustalis

Momente des Zweifelns

Arzt und Apotheker in einer Person

Die Arbeit als Arzt macht ihm Spaß, sein Herz hängt aber an der Apotheke. Wie seine zwei Kinder heute hat er dort einen großen Teil seiner Kindheit verbracht. Damals träumte er davon, einen Heilberuf auszuüben: „Die Medizin hatte mich einfach fasziniert.“ Doch dann gab es 1989 das Abiturzeugnis. Es war gut, aber nicht gut genug, um ohne Wartesemester Medizin studieren zu können. Da gab ihm sein Vater einen Tipp: „Die Apotheke ist schon da“, sagte der. „Da haste was. Weitermachen kannst du später immer noch.“ Und das tat er dann auch, obwohl er sich in dieser Zeit häufig die Frage stellte, warum er noch Medizin studierte, obwohl er bereits das Pharmazie-Examen in der Tasche hatte. Diese Momente des Zweifelns waren seinerzeit eine Plage. Heute profitieren vom Doppelstudium seine Kunden. Sie schätzen an dem Apotheker, dass er auch Arzt ist. Manche bitten ihn, die Arztbriefe zu erklären. „Das mache ich natürlich gern“, sagt er. Aber eigentlich trenne er beide Tätigkeiten strikt. „Ich gebe meinen Kunden immer den Hinweis, dass sie sich besser an ihren Hausarzt wenden sollten. Ich kenne ja ihre Patientenakten nicht.“ Er sagt das ohne einen Moment des Zweifelns.