Begleiterkrankungen

Viele Opioidabhängige sind nicht nur an ihrer Sucht erkrankt, sondern leiden unter weiteren Erkrankungen – so genannte Begleiterkrankungen. Dies sind körperliche Erkrankungen, wie Infektionskrankheiten, die meist durch den Austausch benutzter Spritzenbestecke übertragen werden.1 Hierzu zählen insbesondere die Hepatitis B und C sowie die HIV-Infektion. Daneben können unhygienische Injektionstechniken lokale Abszesse (Eiteransammlungen), Infektionen der Venen oder Entzündungen hervorrufen.Weitere Begleiterkrankungen sind Tuberkulose und bakterielle Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut), die häufig komplikationsreicher verlaufen. Auch auf psychischer Ebene gibt es häufig Begleiterkrankungen wie Angststörungen, Schlafstörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen.

Hepatitis C

Hepatitis C ist eine infektiöse Leberentzündung, die durch das Hepatitis-C-Virus hervorgerufen wird. Wenn diese nicht rechtzeitig behandelt wird, geht sie häufig in ein chronisches Stadium über, das Leberzirrhose („Schrumpfleber“), Leberversagen und bösartige Lebertumoren nach sich zieht. Etwa 58,8 Prozent der Opioidabhängigen sind mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert, das durch Blut-Blut-Kontakte übertragen wird.Dies erfolgt vor allem durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzbestecken beim intravenösen Substanzkonsum. Aber auch beim Sniefen (Schnupfen) kann das Virus übertragen werden, soweit ein gemeinsamer Gebrauch der dafür notwendigen Utensilien erfolgt.

Eine eher untergeordnete Rolle bei der Ansteckung können auch spielen1:

  • Ungeschützter Geschlechtsverkehr (vor allem unter Männern),
  • gemeinsamer Gebrauch bestimmter Haushaltsutensilien (z. B. Zahnbürsten, Rasierer, etc.) sowie
  • die Übertragung von der Mutter auf das Kind während Schwangerschaft und Geburt.

Bei Opioidabhängigen, die eine medikamentös unterstützte Suchttherapie erhalten, sollte nach Möglichkeit eine Hepatitis-C-Therapie durchgeführt werden. Mit speziellen neuen Medikamenten können die Wirksamkeit als auch Verträglichkeit der Hepatitis-C-Therapie deutlich verbessert und die HCV-Infektion zur Ausheilung gebracht werden. Es steht keine Impfung zur Verfügung.

Hepatitis B

Neben der Hepatitis C ist bei Opioidabhängigen Hepatitis B eine weitere Ursache infektiöser Leberentzündungen mit ihren Folgeerkrankungen. Sie wird durch das Hepatitis-B-Virus ausgelöst, das durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten Infizierter, insbesondere durch Blut, beim Geschlechtsverkehr und während der Geburt übertragen werden kann. Im Gegensatz zur Hepatitis C heilt Hepatitis B meist spontan aus, verläuft aber bei etwa 10 Prozent der Drogenkonsumierenden ebenfalls chronisch.

Chronische Hepatitis B kann entweder mit Medikamenten behandelt werden, die das Immunsystem anregen oder mit Tabletten, die das Virus in seiner Vermehrung blockieren. Aufgrund der guten Verträglichkeit wird bei Patient*innen mit Alkohol- oder Drogenkonsum primär eine Behandlung mit Tabletten empfohlen. Diese Medikamente können das Virus gewöhnlich nicht eliminieren, aber seine Vermehrung dauerhaft hemmen und so ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern.

Als die wichtigste aktive Präventionsmaßnahme vor Hepatitis B und auch Hepatitis A gilt die Impfung.1

HIV-Infektion und AIDS

AIDS steht für „acquired immunodeficiency syndrome“, was auf deutsch „erworbenes Immundefektsyndrom“ bedeutet. Es wird durch das HI-Virus übertragen (Human Immunodeficiency Virus = menschliches Immunschwächevirus). Eine schwere Immunschwäche kann heute unter einer rechtzeitig begonnenen und konsequent durchgeführten antiretroviralen Therapie (ART) über viele Jahre und Jahrzehnte verhindert werden.

Unter Opioidabhängigen sind etwa 5 Prozent mit HIV infiziert.Die HIV-Therapie (antiretrovirale Therapie) erfordert große Disziplin und eine regelmäßige Medikamenteneinnahme.

Hinweis: Sie benötigen neben Ihrem Substitutionsmedikament auch HIV-Medikamente? Um sie nicht so leicht zu vergessen, können Sie in der Substitutionsstelle unter Aufsicht auch beide Behandlungen einnehmen.

Psychische Erkrankungen

Etwa 70 Prozent der Opioidabhängigen, die sich in einer medikamentös unterstützten Suchttherapie befinden, weisen neben der Abhängigkeit weitere psychische Probleme auf. Dies sind in erster Linie Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Schlafstörungen sowie Depressionen. Dabei kann die psychische Erkrankung bereits vor der Substanzabhängigkeit bestanden haben oder während deren Verlaufs auftreten. Bei Patient*innen, die ein drogenfreies Leben anstreben, können sich im Rahmen der Abstinenz die Beschwerden bessern – mitunter treten durch die Nüchternheit aber auch neue Probleme auf oder alte Probleme nehmen in ihrer Deutlichkeit zu. Die Behandlung psychischer Erkrankungen durch ein*e erfahrene*n Ärzt*in, z. B. Psychiater*innen oder Psychotherapeut*innen, ist ein wichtiger Bestandteil der medikamentös unterstützten Suchttherapie.

Wittchen HU et al. Predictors, Moderators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte der langfristigen Substitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Moderatoren und Outcome (PREMOS Substitution im Verlauf). Schlussbericht an das Bundesministerium für Gesundheit. 2011.

Schulte B et al. Hepatitis C Virus Prevalence and Incidence in a Large Nationwide Sample of Patients in Opioid Substitution Treatment in Germany: A Prospective Cohort Study. Clin Infect Dis. 2020 May 6;70(10): 2199-2205.

Reimers J. Grundlagen der Opioidabhängigkeit und Substitutionstherapie. Bundesministerium 2020. CME.