Vergabe von Substitutionsmitteln in Arztpraxis & Apotheke

Zu Beginn der Substitutionstherapie muss patient*innenindividuell das geeignete Substitutionsmittel und die dazu passende Dosierung von der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt bestimmt werden. Unter Aufsicht der Ärztin bzw. des Arztes oder einer von der Ärztin oder dem Arzt mit der Vergabe betrauten Person, meist der medizinischen Fachangestellten, wird dann das Substitutionsmittel verabreicht. Diese Form der Vergabe wird Sichtbezug genannt.

Wird der*die Opioidabhängige von der Ärztin bzw. dem Arzt als stabil eingeschätzt, kann er*sie das Substitutionsmittel im Rahmen der Take-Home-Regelung für einen oder mehrere Tage mit nach Hause nehmen. Je nach Ihrer individuellen Situation, bestehen somit verschiedene Möglichkeiten der Vergabe von Substitutionsmitteln.

Sichtbezug

Die Einstellung auf die erforderliche Dosis des jeweiligen Substituts muss mit besonderer Sorgfalt vorgenommen werden. Einstiegsdosis und Dosisfindung sind so zu wählen, dass auch bei nicht bestehender Opioidtoleranz eine Überdosierung vermieden wird. Das kann am Anfang ein bisschen dauern. In besonders schwierigen Einzelfällen sollte die Dosisfindung stationär erfolgen.  In dieser ersten Zeit und auch darüber hinaus muss der*die Opioidabhängige täglich in die Praxis kommen und mindestens einmal die Woche Kontakt zur Ärztin bzw. zum Arzt haben.1

Unter Aufsicht der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes oder dem*der mit der Vergabe betrauten medizinischen Fachangestellten wird dann das Substitutionsmittel eingenommen. Diese Form der Vergabe wird Sichtbezug genannt.

Wie und wo erfolgt die Einnahme?

Vor der Abgabe des Substitutionsmittels werden die Identität des*der Patient*innen überprüft und darauf geachtet, dass sie nicht alkoholisiert sind. Die Abgabe des Medikaments geschieht meist in einem separaten Raum, der für andere Patient*innen nicht einsehbar ist. Denn auch Suchtpatient*innen haben das gleiche Recht auf Diskretion wie alle anderen Patient*innen. Bei vielen niedergelassenen Ärztinnen bzw. Ärzten gibt es für Opioidabhängige gemeinsame Praxiszeiten mit den anderen Patient*innen. In anderen Praxen gibt es spezielle Vergabezeiten.

Das Substitutionsmittel kann auch durch eine von der Ärztin bzw. dem Arzt beauftragte Apotheke oder durch andere geeignete Einrichtungen wie z. B. Alten- oder Pflegeheime, Hospize, medizinische Reha-Einrichtungen oder Gesundheitsämter im Sichtbezug vergeben werden (§ 5 Absatz 10 BtMVV). So wird eine flexible und wohnortnahe Versorgung des*der Suchtpatient*innen mit ihrem Medikament gewährleistet. Die Dauer dieser Phase liegt im Ermessen der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes.

Take-Home-Regelung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann Ihnen Ihre behandelnde Ärztin bzw. Ihr behandelnder Arzt das Substitutionsmittel auch zur eigenverantwortlichen Einnahme auf Basis der „Take-Home-Regelung“ verordnen.2

Voraussetzungen für die „Einnahme zu Hause“

Wenn Sie in Ihrer Substitutionstherapie über einen längeren Zeitraum Ihre Medikamente unter Sichtbezug stabil eingenommen haben und sich in Ihrer Therapie allgemein kooperativ verhalten, können Ihre behandelnde Ärztin bzw. Ihr behandelnder Arzt die Einnahmeregelungen lockern.2

Konkrete Gründe, die für eine Take-Home-Verordnung sprechen, liegen vor, wenn:3

  • Sie als Patient*in regelmäßig die erforderlichen Arztkontakte wahrnehmen,
  • die Einstellung auf das Substitutionsmittel abgeschlossen ist, 
  • der bisherige Verlauf der Behandlung zu einer klinischen Stabilisierung des*der Patient*in geführt hat,
  • die Risiken einer Selbst- und Fremdgefährdung, insbesondere für gegebenenfalls im Haushalt mitlebende Kinder, soweit wie möglich ausgeschlossen sind,
  • Sie als Patient*in stabil keine weiteren Substanzen konsumieren, die zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels zu einer schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdung führen können,
  • Sie als Patient*in nicht gegen getroffene Vereinbarungen verstoßen bzw.
  • eine psychosoziale Stabilisierung erfolgt ist.

Sie erhalten dann das Substitutionsmittel im Rahmen der Take-Home-Regelung für maximal 30 Tage zur eigenverantwortlichen Einnahme für zu Hause.2

Das Rezept wird nach einem persönlichen Gespräch mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt ausgestellt und kann dann in der Apotheke eingelöst werden.

Wenn eine Destabilisierung zu erkennen ist oder andere Probleme auftreten, kann jederzeit auf die erneute tägliche Ausgabe des Substitutionsmittels umgestellt werden.

Vorteile der Take-Home-Regelung

Mit diesem Schritt soll Ihre Eigenverantwortung belohnt und gleichzeitig bestärkt werden. Häufig ist erst dann eine soziale Integration, wie beispielsweise das Nachgehen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit, möglich. Insbesondere für Patient*innen im ländlichen Raum kann dies aufgrund der dort meist nicht so guten Versorgungssituation eine gute Alternative sein. Allgemein wird dadurch die persönliche Flexibilität in Ihrem Alltag größer.4

Wichtig: Allerdings entscheidet die Ärztin bzw. der Arzt, ob Sie als Betroffene*r für diese Form der Medikamenteneinnahme geeignet sind – von Ihrer Seite gibt es leider keinen Anspruch auf eine Take-Home-Vergabe.

 

Zwischen Sichtbezug und Take-Home-Verordnung: SZ-Verordnungen

Neben der Einnahme von Substitutionsmitteln unter Sichtbezug kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme also eine „Take-Home-Verschreibung“ erfolgen.

Wenn die Kontinuität der Substitutionsbehandlung nicht anderweitig aufrechterhalten werden kann, der Verlauf der Behandlung es zulässt und wenn eine Selbst- sowie Fremdgefährdung weitestgehend ausgeschlossen werden kann, kann die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme für 2 (bis maximal 5) aufeinanderfolgende Tage verordnen (BtMVV §5 Absatz 8). Somit können Patient*innen durch sogenannte SZ-Verordnungen mehr Freiheit in der Therapie bekommen. Hierdurch wird es Ihnen erlaubt, an Wochenenden oder Feiertagen die Präparate eigenständig einzunehmen. Kurz gesagt sind mit SZ gekennzeichnete Rezepte kurzfristige Take-Home-Rezepte für Patient*innen, die normalerweise mit einem Sichtbezug versorgt werden.

 

Positive Ausnahme: Sind vor oder nach dem Wochenende noch weitere Feiertage kann eine SZ-Verordnung sogar für maximal fünf Tage ausgestellt werden.

Sobald und solange die substituierende Ärztin bzw. der substituierende Arzt zu dem Ergebnis kommt, dass eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch (Sichtbezug) nicht mehr erforderlich ist, darf er*sie dem*der Patient*in das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme grundsätzlich für bis zu 7 Tage verschreiben (BtMVV §5 Absatz 9).

Rezeptbeschriftungen für Substitutionsverschreibungen verstehen

Allgemein gilt: Sie dürfen als Patient*in die Substitutionsrezepte in der Apotheke selbst einlösen. Allerdings entscheidet die Beschriftung auf dem Rezept, ob Sie das Substitutionsmittel direkt in der Apotheke einnehmen müssen oder dies ohne Aufsicht zu Hause tun dürfen.

Wenn Sie ein Substitutionsrezept erhalten, dann wird dort meist der Buchstabe „S“ vermerkt sein. In diesem Fall müssen Sie das Substitutionsmittel vor Ort, z. B. in der Apotheke, unter „Sichtbezug“ einnehmen. Wie gerade schon beschrieben, kann durch eine „SZ“-Kennzeichnung eine Verschreibung eines Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme für einen Zeitraum von zwei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen (z. B. aufgrund von Feier- und Brückentagen) unter Angabe des genauen Zeitraums erfolgen.1 Bei den „ST“-Rezepten handelt es sich um Take-Home-Verordnungen mit einer Verschreibungsmenge für sieben bis – in begründeten Einzelfällen – maximal 30 Tage.Diese werden häufig in kindergesicherter Verpackung und in Einzeldosen abgegeben.3

Hinweis: Sie können die Substitutionsmittel von Ihrer behandelnden Ärztin bzw. Ihrem behandelnden Arzt nicht als Notfallverschreibung erhalten.

Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger (bundesaerztekammer.de) (abgerufen am 15.03.2022).

2 BtMVV § 5 Absatz 7

PDF:  FAQ-Liste zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger auf Grundlage der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und der Richtline der Bundesärztekammer (vom 27.04.2020)

Poehlke T et al. Drogenabhängigkeit und Substitution. Ein Glossar von A bis Z. Springer Berlin Heidelberg. 5. Auflage. 2020

https://www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/btm/substitutionstherapie/ (letzter Aufruf: 09.03.2022).