Was ist Morbus Bechterew?
Morbus Bechterew, auch ankylosierende Spondylitis oder kurz AS genannt, ist die häufigste Unterform der Spondyloarthritiden. Unter diesem Begriff werden verschiedene entzündlich-rheumatische Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es zu chronischen Entzündungen vor allem im Bereich der Wirbelsäule kommt. Chronisch bedeutet, im Gegensatz zu einer akuten Krankheit, dass es sich um eine lang andauernde Erkrankung handelt. Diese ist oft nicht heilbar, allerdings kann die Entzündung durch Behandlung reduziert oder sogar inaktiviert werden.
Morbus Bechterew ist eine chronisch-entzündlich rheumatische Erkrankung, die zu den Autoimmunerkrankungen zählt. Bei diesen greifen die Abwehrzellen unseres Immunsystems körpereigene Strukturen an und lösen eine Entzündungsreaktion an den Gelenken aus.
Morbus Bechterew ist eine Erkrankung des Achsenskeletts und hat einen chronischen Verlauf. Befallen sind die Knochen, die den Rumpf und den Kopf ausbilden: der Schädel, die Wirbelsäule und der Brustkorb mit den Rippen. Im Verlauf der Krankheit treten entzündliche Prozesse auf und führen zu Verknöcherungen von Gelenken der Wirbelsäule, die in der Folge versteifen. Hauptsächlich betroffen sind die unteren Abschnitte der Wirbelsäule. Hierzu zählen das Kreuzbein mit seinen Verbindungen zum Becken, wo sich das Kreuzdarmbeingelenk befindet, das auch als Iliosakralgelenk bezeichnet wird, sowie der Bereich der Lendenwirbelsäule. Auch die oberen Bereiche der Wirbelsäule wie die Brust- und Halswirbelsäule können betroffen sein. Darüber hinaus können auch andere Bereiche des Skeletts wie das Kniegelenk oder Sehnenansatzpunkte wie die Achillessehne Entzündungen aufweisen.
Bei bis zu der Hälfte aller Betroffenen tritt der Morbus Bechterew in Kombination mit Müdigkeit, einer Schuppenflechte (Psoriasis), einer Entzündung der Regenbogenhaut des Auges (Uveitis) und/oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (z. B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) auf.
Wie äußert sich Morbus Bechterew?
Morbus Bechterew beginnt meist mit Schmerzen an der Wirbelsäule, die als sogenannter entzündlicher Rückenschmerz bezeichnet werden. Häufig tritt der Schmerz zunächst an den Kreuzdarmbeingelenken und dann im unteren Lendenwirbelbereich auf. An den Kreuzdarmbeingelenken kann er auch als Gesäßschmerz empfunden werden. Der Rückenschmerz tritt vor allem nach längeren Ruhezeiten, das heißt zum Beispiel nachts oder morgens nach dem Schlafen, auf.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung treten die Rückenschmerzen dann auch im oberen Abschnitt der Lendenwirbel, an der Brustwirbelsäule und auch an der Halswirbelsäule auf.
Im Verlauf der Erkrankung können durch die bestehende Entzündung in den Gelenken bestimmte Zellen (Osteoblasten) aktiviert werden, die für den Aufbau von Knochenmaterial zuständig sind. Sie lösen die Bildung von neuem Knochengewebe zwischen den einzelnen Wirbeln aus. In der Folge können diese sogenannten Verknöcherungen zu einer Steifheit der Wirbelsäule, Fehlhaltungen und damit zu schmerzhaften Muskelverspannungen führen. Bewegungen, wie zum Beispiel Bücken oder das Drehen des Kopfes, können erschwert sein. Typisch für den Morbus Bechterew ist eine mehr oder weniger nach vorn gebeugte Körperhaltung (Kyphose, „Buckel“) und eine Starre des Brustkorbs, die das Atemvolumen einschränkt. In diesem Zuge kann es auch zu einer Fehlstellung des Beckens kommen. Verknöcherungen der Wirbelsäule können zudem das Risiko für Wirbelbrüche erhöhen.
Charakteristisch für einen Morbus Bechterew sind auch Entzündungen an den Ansatzstellen der Sehnen (Enthesitis), die zum Beispiel bei Entzündung der Achillessehne zu Schmerzen an der Ferse führen können. Manche Betroffene entwickeln auch eine Gelenkentzündung eines ganzen Fingers oder Zehs, die als Daktylitis oder – aufgrund der entstehenden Schwellung – auch als „Wurstfinger“ oder „Wurstzeh“ bezeichnet wird. Außerdem nimmt bei den meisten Betroffenen die Knochendichte ab (Osteopenie), wodurch es zum Knochenschwund (Osteoporose) kommen kann. Durch diesen Befall der Knochen kann es zu einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche kommen.
Bei schweren Verläufen des Morbus Bechterew kann die Entzündung auf andere Organe übergehen. In der Folge kann es zu Begleiterkrankungen wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (z. B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa), Regenbogenhautentzündung des Auges (Uveitis) oder Schuppenflechte (Psoriasis) kommen. In diesen Fällen treten zusätzlich die charakteristischen Symptome dieser Erkrankungen auf.
Was sind die Ursachen?
Der entzündliche Rückenschmerz unterscheidet sich vom mechanischen Rückenschmerz, der zum Beispiel aufgrund von muskulären Verspannungen oder Überbelastung auftritt. Entzündlichen Rückenschmerz erkennt man daran, dass er sich über Nacht verschlechtert und Betroffene häufig in der zweiten Nachthälfte vor Schmerzen aufwachen. Aufstehen und Gehen verringert den Schmerz.
Wie es zu der Fehlregulation des Immunsystems beim Morbus Bechterew kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Allerdings weisen 95 % der Erkrankten ein bestimmtes genetisches Merkmal, das HLA-B27, in ihren Zellen auf. Dieses Gen ist dafür verantwortlich, dass die weißen Blutzellen (Leukozyten) auf ihrer Oberfläche ein bestimmtes Eiweiß tragen, welches eine Rolle bei der Steuerung des Immunsystems spielt. Daher könnte ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein dieses Gens und der beim Morbus Bechterew vorhandenen Fehlregulation des Immunsystems bestehen. Allerdings gibt es auch viele Menschen, die HLA-B27-positiv sind und nicht an Morbus Bechterew erkranken.
Experten vermuten deshalb, dass dieses Merkmal vielleicht nicht für die Entstehung der Erkrankung selbst, aber für eine erhöhte Veranlagung für die Entstehung verantwortlich ist. Außerdem könnten bestimmte Infektionen ein Auslöser der Erkrankung sein. Neben Zellen des Immunsystems (Fresszellen, T- und B-Zellen) sind entzündungsfördernde Botenstoffe, die sogenannten Zytokine, an der Entstehung der Entzündung entscheidend beteiligt. Ein wichtiges Zytokin ist zum Beispiel der Tumornekrosefaktor-alpha, kurz TNF-α. Die Entdeckung dieses Zusammenhangs hat dazu geführt, dass neue Therapien entwickelt werden konnten, die gezielt auf diese entzündungsfördernden Stoffe abzielen.